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Die Drei Choräle für Orgel können als Cesar Francks Schwanengesang be­zeichnet werden. Entstanden im Jahr seines Todes 1890 sind diese Werke nicht im Hinblick auf ein Opus ultimum geschrieben, denn Franck war Opfer eines Verkehrsunfalls: Eine Droschke fuhr ihn an und er starb später an den Folgen einer Sepsis. Francks Orgelmusik ist untrennbar mit dem Aufkommen eines Orgeltypus im Frankreich des 19. Jahrhunderts verbunden: der Orgel von Aristide Cavaille-Coll, die mit ihrer satten Grundstimmenpalette und dem reich besetzten Schwellwerk ein Orche­ster zu imitieren versucht. Cesar Franck als Bahnbereiter einer neuen Epoche schreibt auf der Höhe seines Stils und er schreibt auf der Höhe der Zeit. Entsprechend dürfen die Drei Choräle als die wohl vollkommenste Orgelmusik im Frankreich des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Die Frage nach dem Aufbau und der Form dieser Werke lässt sich nicht allge­mein beantworten, denn jeder Choral ist auf seine Weise einzigartig. Zwar verwenden die Kompositionen gewisse Grundtechniken wie Fuge, Pas­sacaglia oder kantable Soli, man darf den Begriff Choral aber als große symphonische Komposition über eine frei erfundene Melodie verstehen.

Der von Geburt an schwer Sehbehinderte Louis Vierne war Schüler Cesar Francks. Seine sechs Symphonies pour Orgue stellen den abschließenden Höhepunkt dieser Gattung im frühen 20. Jahrhundert dar. Nach der ersten Sinfonie sind alle Orgelkompositionen Viernes während seiner Amts­zeit an Notre-Dame entstanden, als ihm die fünfmanualige Orgel Cavaille-Colls von 1863 zur Verfügung stand. Das Prelude der ersten Sin­fonie wird von einem Thema bestimmt, das durch Chromatik und Sequen­zierung geprägt ist und im mehrfachen Kontrapunkt verarbeitet wird. Der Satz erfährt eine kontinuierliche Steigerung und wird zu einer toccaten­haften Apotheose geführt. 

Die anschließende Fuge zeigt ein eher klassisches Bild; hier demons­triert Vierne erneut die kunstvolle Beherrschung kontrapunktischer Techniken wie Themenumkehrung oder Engführung. Auch die Fuge er­fährt eine finale Schlusssteigerung und zitiert schließlich apotheotisch den Themenkopf. Die Pastorale hat die Form eines Sicilianos und ver­wendet das Formmodell A-B-A. Das Allegro vivace kann als das Scherzo der Sinfonie bezeichnet werden. Der Mittelteil steht hierbei im terzver­wandten fis-Moll und präsentiert einen Kanon, der wieder als Reverenz an Franck verstanden werden kann. Nach einem ruhigen, ebenfalls drei­teilig angelegten Andante schließt die Sinfonie mit dem Final, einer Toc­cata, die neben Carillon de Westminster als Viernes populärstes Orgel­werk gilt. Es handelt sich um einen Sonatensatz, der zwei Themen expo­niert (das zweite wieder im Kanon a la Franck), das Hauptthema an­schließend ausführlich durchführt und schließlich mit einer Reprise beider Themen in der Haupttonart und einer fulminanten Coda endet. 

Martin Kohlmann hat Kirchenmusik, Chor-/Ensembleleitung und Mu­siktheorie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover studiert. Er wurde an der Orgel u.a. von Emmanuel Le Divellec, Ulfert Smidt und Dirk Elsemann unterrichtet. Zahlreiche Meisterkurse (u.a. Guy Bovet, Michael Radulescu, Daniel Roth, Hans-Ola Ericsson) ergänzen sein Studium. Als Organist pflegt er ein breit gefächertes Repertoire und geht einer regen internationalen Konzerttätigkeit nach. Seit 2019 ist er der künstlerische Leiter der Orgelkonzertreihe Ringelheimer Orgeltage in Salzgitter sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik, Thea­ter und Medien Hannover. CD- und Rundfunkaufnahmen runden seine künstlerische Tätigkeit ab. 

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